Mehr Jäger, weniger Unfälle

Jagd ist gefährlich. Nicht nur für Beutetiere, sondern auch für deren Verfolger. Tierische Jäger brauchen Schnellkraft und Raffinesse, Reißzähne und Krallen, menschliche Jäger brauchen eine Waffe, um erfolgreich zu sein. Der sichere Umgang mit Büchse, Flinte oder Kurzwaffe ist die entscheidende Voraussetzung, verlangt aber auch viel Übung und eiserne Disziplin, um Unfälle zu vermeiden. Denn die Konstruktion der menschlichen Waffen und Patronen sind auf schnelles, waidgerechtes Töten ausgelegt. Ein unkontrollierter Schuss ins Blaue kann schnell zu einem Fiasko werden. Ein Blick in die jagdliche Unfallbilanz offenbart, wie es mit der Sicherheit auf der Jagd aussieht.

Der zweite Mann sollte nie die Waffe mit der Mündung nach vorn tragen

Wie viel Schüsse fallen pro Jahr?

Wie häufig werden pro Jagdjahr überhaupt Schüsse von den rund 400.000 Jägern in deutschen Revieren abgegeben? Laut Streckenstatistik wurden 2020/21 rund 2,1 Millionen Stück Schalenwild und 2,3 Millionen anderes Wild erlegt, zusammen also 4,4 Millionen. Ganz grob lässt sich die erste Hälfte dem Waidwerk mit der Büchse, der zweite Teil dem mit der Flinte zuordnen. Doch nicht jeder Schuss trifft, vor allem auf bewegtes Wild. Deshalb sollte mindestens ein Faktor von zwei bis drei angesetzt werden, womit wir bei einem Wert von rund zehn Millionen wären. Nicht berücksichtigt hierbei sind die Schussabgaben zu Übungs- oder Wettbewerbszwecken auf Schießständen, Schießkinos oder auf Wurftaubenanlagen.

Achtung bei flach streichendem Flugwild

Ein Schuss hat weitreichende Folgen

Wer sich etwas näher mit Ballistik von Geschossen befasst hat, weiß, auf welch große Entfernung die Überschall-Flugkörper noch tödlich wirken oder schweren Schaden anrichten. Büchsengeschosse können bei einem günstigen Abgangswinkel bis zu fünf Kilometer weit fliegen. Selbst Kleinkalibergeschosse übertreffen noch locker die 1.000-m-Marke. Das Wild ist kein Kugelfang. Umso wichtiger ist der Kugelfang hinter dem Ziel. Gefährdungen entstehen häufig durch indirekten Beschuss, wenn also das Projektil durch ein Hindernis in der Flugbahn abgelenkt wird oder zersplittert, wie zum Beispiel auf einem steinigen Weg. Die weitere Flugbahn entzieht sich jeder ballistischen Vorausberechnung. Auf sogenannten Anschussseminaren werden bereits verendete Rehe oder Sauen zu Demonstrationszwecken in ein Gestell gehängt und beschossen. Auf einer hinter dem Stück aufgespannten Leinwand lassen sich nicht nur Pirschzeichen eindrucksvoll ablesen, sondern je nach Geschossart auch entsprechende Geschossplitter. 

Anschussseminar: Die Leinwand gibt einen Anhalt über Pirschzeichen und mögliche Geschosssplitter

Weniger Schrote, mehr Büchsengeschosse

In den vergangenen 20 Jahren änderte sich das Verhältnis zwischen Büchsen- und Flintenschüssen erheblich: Die „Schrotbeute“ schrumpfte mit dem Rückgang des Niederwildes um rund eine Million Stück, während die des „Büchsenwildes“ um fast 40 Prozent anstieg. Vor allem die Zahl der Ernte- und Drückjagden nahm zu und damit auch der Patronenverbrauch, denn beim Schuss auf flüchtiges Wild wird deutlich häufiger abgedrückt als bei der ruhigen Einzeljagd. Jagden auf getriebenes Wild verlangen hohe Konzentration und Übersicht von den Schützen, um in Sekundenbruchteilen alle Gefahrenmomente auf flüchtendes Wild im Auge zu behalten: Kugelfang, rote Zonen, Treiber, Hunde. Noch anspruchsvoller die Situation bei Erntejagden: Hier erhöhen landwirtschaftliche Maschinen in Bewegung, Straßen und häufig Zuschauer das Risiko.

Rote Zonen helfen, den Sicherheitsbereich einzuhalten

Zahl der Unfälle sinkt deutlich

Umso erstaunlicher, dass bei zunehmenden Schalenwild- und Jägerbeständen die Zahl der Unfälle abnimmt. Das spricht für gute Ausbildung und Disziplin. Im Jahr 2021 ist die Zahl der meldepflichtigen Unfälle um ein Siebtel zurückgegangen auf insgesamt 364. Lediglich in 0,6 Prozent der 58.627 pflichtversicherten Jagdreviere hat sich ein meldepflichtiger Unfall ereignet. In den vergangenen zwei Jahren gab es keinen tödlichen Vorfall, meldet die zuständige Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) laut einer Mitteilung des Deutschen Jagdverbandes (DJV).

Vorsicht Glatteis, vor allem mit dem Gewehr über der Schulter

Zwangsversicherung für Revierinhaber nicht mehr zeitgemäß

DJV-Präsidiumsmitglied Josef Schneider nimmt dies zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Jagd eine vergleichsweise sichere Freizeitbeschäftigung ist und eine so teure Zwangsversicherung für Revierinhaber nicht mehr zeitgemäß sei. 4,3 Prozent aller bei der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau versicherten Unternehmen meldeten 2021 einen Unfall, davon 125 mit tödlichem Ausgang. Das seien sieben Mal mehr Unfälle als auf der Jagd. Seit Jahren versuchen die Jagdverbände eine Rauslösung der Jagd aus der Pflichtversicherung zu erstreiten. Bis jetzt erfolglos

Aus dieser Position wird es heikel mit dem Kugelfang

„Es gibt keine größere Gefahr, als die Gewöhnung an die Gefahr.“

Es ist erfreulich, dass trotz scharfer Waffen und vielen Risikofaktoren so wenig passiert. Das spricht für einen guten Ausbildungsstand und hohes Verantwortungsbewusstsein in der Jägerschaft. Natürlich lauern auch Gefahren außerhalb der direkten Schussabgabe: Brüchige Leitern, marode Hochsitze, Stürze bei Schnee und Glatteis, Verletzung von Jagdhunden usw. Die Jagd findet nun mal außerhalb von gesicherten Räumen statt, nicht alle Risiken lassen sich vorher abschätzen. Mehr Jäger, weniger Unfälle – diese Bilanz ist gut für das Ansehen der Jäger und sollte weiter gepflegt werden, gemäß dem Motto „Es gibt keine größere Gefahr als die Gewöhnung an die Gefahr.“

Marode Hochsitze sollten lieber nicht betreten werden

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