Deutschland hat nicht nur viele Straßen, sondern auch viel Wild. Das führt zu einem hohen Konfliktpotenzial. 830.000 Kilometer Straßen durchziehen die Republik. Das entspricht einer Strecke zum Mond und wieder zurück. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr 270.000 Zusammenstöße mit Wild, das heißt, im Schnitt passierte alle drei Minuten eine Kollision mit einem Wildtier auf unseren Straßen, das ist ein Anteil von 5 Prozent sämtlicher Verkehrsunfälle. Viele Fahrzeuginsassen wurden dabei verletzt, 20 Menschen überlebten das nicht. Die Bilanz der Wildtiere sieht noch deutlich schlechter aus: Für die meisten bedeutete dieser Zusammenprall den sicheren Tod.
Feld-Wald-Grenzen sind unfallträchtig
Hinweisschilder auf häufigen Wildwechsel sollte jeden Autofahrer auf das erhöhte Risiko aufmerksam machen. Doch leider wird das oft ignoriert. Besonders in der Dämmerung muss mit Wildwechsel gerechnet werden. Schwerpunkte sind die Monate April und Mai bzw. Oktober bis Dezember. Wald auf der einen Seite der Straße und Feld auf der anderen schafft eine besonders heikle Gefahrenlage, weil das Wild dort über die Straße zur Futteraufnahme wechselt und wieder zurück in den Einstand.
Wie kann die Unfallgefahr reduziert werden?
Was kann ein Fahrer bzw. eine Fahrerin tun, um Zusammenstöße mit Wild zu vermeiden?
- Zunächst die Geschwindigkeit reduzieren. Selbst mit 60 km/h wirkt ein Stück Schwarzwild bei einem Aufprall mit der Wucht eines ausgewachsenen Nashorns von 3,5 Tonnen, ein Rothirsch sogar wie ein Elefant von 5 Tonnen.
- In der Dunkelheit sollte in Kurven abgeblendet werden, da sonst das Fernlicht die Tiere quasi auf die Straße vor das Fahrzeug treibt.
- Abbremsen und Abblenden, wenn sich schon Tiere auf der Straße befinden, eventuell hupen, um sie von der Fahrbahn zu verscheuchen.
- Immer damit rechnen, dass es mehrere Tiere sein können. Wenn also ein Reh oder eine Sau über die Straße wechselt, folgen häufig weitere Rotten- bzw. Rudelmitglieder.
Was tun, wenn es passiert ist?
Falls auf kurze Entfernung Reh oder Sau vors Auto springen, besser nicht ausweichen, das könnte lebensgefährlich werden! Bremsen, Lenkrad fest- und das Fahrzeug möglichst in der Spur halten. Wenn es dann tatsächlich gescheppert hat…
- Warnblinkanlage anschalten und die Unfallstelle mit dem Warndreieck absichern
- Polizei benachrichtigen, die dann den zuständigen Jäger informiert. Sollte das Tier verendet sein, eventuell an den Fahrbahnrand ziehen, falls es ein gefährliches Verkehrshindernis darstellt. Die eigene Sicherheit geht jedoch vor!
- Keinesfalls weiterfahren und das Wild mitnehmen (das wäre Wilderei und ein Straftatbestand)
- NICHT noch lebenden, verletzten Tieren nähern (auch wenn es schwerfällt). Das stresst die Tiere zusätzlich und ist Aufgabe von Polizei oder Jagdpächter.
- Wichtig für die finanzielle Regelung des Schadens: Eine Wildunfallbescheinigung (stellt die Polizei oder der Jagdausübungsberechtigte aus).
- Für die Abwicklung mit der Versicherung ist es hilfreich, wenn von der Situation ein paar Fotos gemacht werden.
Rehe sind am meisten gefährdet
Die überwiegende Zahl aller Wildunfälle passiert mit Rehen. Im Jagdjahr 2022/2023 waren es 210.000. Es folgt das Schwarzwild mit 24.000, Damwild mit 5.000 und Rotwild mit 3.000. Viele Kollisionen mit Hasen, Kanin und Raubwild sowie Vögeln (Fasan, Taube usw.) werden nicht gemeldet, wenn am Fahrzeug kein Schaden aufgetreten ist.
Tierfunde einfach per App melden
Um die Bewegungen des Wildes und Unfallschwerpunkte zu erfassen, hat der Landesjagdverband Schleswig-Holstein mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 2011 ein Tierfund-Kataster entwickelt, das 2016 vom Deutschen Jagdverband deutschlandweit ausgebreitet wurde. Ziel der entwickelten App ist es, auf die diese Ereignisse vor Ort eingetragen werden können. Damit hofft man, Krisenpunkte zu entschärfen, zum Beispiel durch entsprechende Ausschilderung oder Grünbrücken fürs Wild. Die App ist kostenlos und kann von jedem heruntergeladen werden.
Was übernimmt die Versicherung?
Was passiert nach einem Zusammenstoß mit Wild, wer kommt für den Schaden auf? Wer nur eine Haftpflichtversicherung besitzt, muss die Reparatur selbst bezahlen, lediglich Beschädigungen an einem Verkehrsschild oder der Leitplanke wird übernommen. Die Teilkasko kommt für Schäden durch Haar- und Federwild auf. ADAC-Mitglieder können sich bis maximal 300 Euro von ihrem Club wiederholen, wenn sie eine Teilkasko-Versicherung mit Selbstbeteiligung abgeschlossen haben. Bei der Vollkasko zahlt die Versicherung alles. Immerhin mussten die Versicherungen im Jahr 2022 fast eine Milliarde aufbringen, um die Schäden in Zusammenhang mit Wild zu regulieren, im Schnitt 3.600 Euro pro Schadensfall.
Quellen: Deutscher Jagdverband (DJV), ADAC e.V.
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