Die mondlose Nacht breitete bis in das jetzige Jahrhundert einen Schutzschild über unser Wild. Lediglich um den Vollmond herum bewegten sich die Sauen- und Raubwildenthusiasten in den Herbst- und Wintermonaten nach draußen. Die hohe Umlaufbahn des Erdtrabanten sorgte für ausreichend Licht auf abgeernteten Feldern, unter Mastbäumen und an den Kirrungen. Alle vier Wochen zog es die passionierten Sauenjäger ins Revier, um den heimlichen Kostgängern auf die Schwarte zu rücken, denn der hilfreiche Schnee bleibt aufgrund der Klimaveränderungen leider immer häufiger aus.
Die jagdliche Einschränkung auf mondhelle Nächte existiert seit rund einem Jahrzehnt in der Form aber nicht mehr. Wärmebild- und Nachtsichttechnik eröffnen Jägerinnen und Jägern ganz neue Möglichkeiten. Zunächst scheint es sinnvoll, die technischen Begriffe auf diesem Sektor sauber zu klären.
Die Vorteile der Wärmebildtechnik
Wärmebild nutzt die Temperaturunterschiede zwischen Warmblütern und der Umgebung. So zeichnen sich auf dem Display dieses Gerätes die warmen Körperteile beispielsweise eines Rehbockes (je nach Entfernung) deutlich ab. Ein Gehörn wird allerdings nicht präzise abgebildet, es sei denn, es befindet sich noch gut durchblutet im Bast. Selbst bei geringer Vergrößerung lassen sich auf erstaunlich große Entfernungen noch Tiere in der freien Landschaft erkennen. Auch Hase oder Fuchs können noch auf über viele hundert Meter einwandfrei detektiert werden.
Nachtsicht: Wenn alles grün wird
Nachtsicht nutzt die fürs menschliche Auge nicht mehr zu erkennende Resthelligkeit in der Atmosphäre und erzeugt ein komplettes, meist grünlich eingefärbtes Bild. Hier werden alle Details wiedergegeben, wenn auch nicht mit der Qualität eines normalen Fernglases, und die Erkennbarkeit von Wild reicht nicht so weit wie mit der Wärmebildkamera.
Beide Gerätetypen haben in etwa die Form eines Minispektives und sind dadurch recht handlich. Über einen eingebauten Akku wird der notwendige Strom geliefert. Sinnvollerweise benutzt der Jäger es nicht mit dem Zielauge, da sonst die Pupille bei einem schnellen Übergang auf die Zieleinrichtung Zeit braucht, um sich wieder zu öffnen.
Vorsätze für das Zielfernrohr
Beide Techniken gibt es unterdessen nicht nur als reine Beobachtungsgeräte, sondern auch als Vorsatzgeräte beziehungsweise als reine Nachtsichtzieleinrichtungen. Im militärischen Bereich werden sie schon seit langer Zeit eingesetzt. In dieser Form sind die Geräte auch „scharf“ und können für die konkrete Jagdausübung eingesetzt werden. Die Entwicklung dieser Technik im zivilen Bereich ist in den letzten Jahren enorm vorangeschritten und liefert immer bessere Bilder und Möglichkeiten. Wenn überhaupt durch Gesetze legitimiert, wird ihr Einsatz in den meisten Bundesländern zurzeit auf die Bejagung des Schwarzwildes begrenzt. Die Freigabe wurde durch Einbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) gefördert. Eine Ausdehnung auf die Raubwildbejagung ist vereinzelt legitimiert und wird vielerorts gefordert und erwartet.
Die Gefahr des Missbrauchs
Machen wir uns nichts vor, die Versuchung ist groß, auch auf andere (Schalenwild)Arten diese neue Technik zu benutzen. Das Anprangern des wiederkäuenden Schalenwildes von forstlicher Seite als Vernichter des angestrebten Waldumbaus senkt die Hemmschwelle ebenso wie der unbedingte Wille zum Streckemachen. Wie immer: Nicht die Technik ist schuld, sondern im Zweifel der Schuft hinter dem Schaft.
Die Nacht nicht „zum Jagdtag machen“
Es bedarf also schon einer gewissen Charakterstärke, diese für spezielle Fälle hilfreiche Technik nicht zu missbrauchen. Aufklärung ja, beobachten ja, Wildzählung ja, abdrücken aber nur, wenn legal und unbedingt erforderlich. Bewahren wir dem Wild den geschützten Raum der nachtdunklen Stunden, auf den es sich seit Jahrtausenden verlassen durfte. Das Wild hat aktuell schon genug mit unserem „Mitjäger“ Wolf zu tun, der die Vorteile der Dunkelheit gern nutzt. Da müssen wir nicht auch noch dazwischenfunken.