Die Zeit zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag am 6. Januar hat für viele Menschen eine große Bedeutung. Während der so genannten Raunächte – in der Regel sind es 12 Nächte – kehrt Stille ein. Es ist die Zeit des Innehaltens, der Ruhe, um Vergangenes zu reflektieren und sich auf das neue Jahr einzustimmen. Inzwischen gibt es zahlreiche Traditionen, die sich etabliert haben – auch bei der grünen Zunft. Der Ausklang des Jahres bietet die passende Gelegenheit, den Volksglauben näher zu beleuchten und der Magie des jagdlichen Aberglaubens eine Bühne zu bieten.
Wer einen Jäger oder eine Jägerin befragt, ob er oder sie abergläubisch ist, wird meistens Kopfschütteln ernten, schließlich leben wir ja in einer aufgeklärten Zeit, in der man zu Mond und Mars fliegt und das menschliche Genom entschlüsselt hat. Bohrt man jedoch ein wenig nach, kommen fast immer ein paar Dinge hoch, die mit Rationalität wahrlich nichts zu tun haben. Sie sind harmlos, und man könnte sie eher als Marotten bezeichnen. Aber sie sind allesamt darauf angelegt, den Erfolg bei der Jagd „herbeizurufen“. Im Mittelalter ging es in dieser Hinsicht wesentlich härter zur Sache.
Das Mittelalter: Voller Magie und Symbole
In der Tierwelt wurde damals häufig das Böse gesehen, dessen man sich mit Magie und Zauber erwehren musste. Und da war man nicht zimperlich. Zuvorderst stand da immer die Schlange, das kennen wir ja schon aus der Bibel. Wesentlich positiver kam der Hirsch weg, wie die heute noch praktizierte Legende von St. Hubertus und St. Eustachius belegt, die ihn auf der Jagd als Lichterscheinung mit einem Kreuz zwischen den Geweihstangen erlebten. Im Altertum unterstellte man Cervus elaphus übrigens, dass er sein Geweih in Wasser abwarf, damit es „dem Jäger nicht von Nutze sei“. Wolf und Rabe anzutreffen, galt damals als gutes Vorzeichen für eine erfolgreiche Jagd, da sie als Tiere des Göttervaters Odin sind. So kann sich das Bild wandeln, wenn man an die heutige Zeit denkt …
Freischütz, Freikugeln – ein teuflisches Spiel
Der Aberglaube im Mittelalter trieb aus heutiger Sicht erstaunlich skurrile Blüten und schwelgte in unzähligen Rezepten und Versionen. Um Beispiele zu nennen: Bleikugeln wurden mit pulverisiertem Blut gemischt, das von jungen Wiedehopfen stammen musste, um der Kugel die absolute Treffsicherheit zu verleihen. Treffsicherheit ist bei der historischen Bewaffnung sowieso ein großes Thema. Am bekanntesten umgesetzt in der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Kaspars Kugeln wurden ebenfalls mit abenteuerlichen Zutaten gegossen und versprachen damit, immer sicher ins Schwarze zu treffen. Die letzte Kugel aber gehörte dem Teufel, der sie nach eigenem Dünken in das von ihm bestimmte Ziel lenkte.
Kleine Rituale fördern den (Aber)Glauben an den Erfolg
So martialisch geht es heute nicht mehr zu. Aber da Jagd auch heute genauso mit Gefühl und Leidenschaft besetzt ist, praktizieren viele Anhänger der Grünen Zunft „kleine Rituale“ in der Hoffnung, dass sich mit deren Hilfe der gewünschte Erfolg im Revier einstellt. So wird zum Beispiel immer derselbe Hut (selbst wenn schon mächtig abgenutzt, löchrig und häufig mit kleinen Glücksbringern gespickt), zur Jagd aufgesetzt, oder es werden immer nur sieben Patronen (magische Zahl!) eingesteckt, bei größeren Unternehmungen auch mehr – die Zahl muss aber immer ungerade sein. Wenn mehrfach der Erfolg ausbleibt, wird gern mal die Kleidung gewechselt, auch wenn es gar nicht nötig wäre.
Die Sache mit dem weißen Wild
Noch heute verweigern selbst hochpassionierte Jäger die Erlegung eines weißen Stück Schalenwildes. Es wird kolportiert, dass derjenige im darauffolgenden Jahr selber in die Ewigen Jagdgründe wechselt. Als Musterbeispiel wird Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich angeführt: Er erlegte im August 1913 einen weißen Gamsbock und wurde zusammen mit seiner Ehefrau am 28. Juni in Sarajewo Opfer eines Attentats. Wahrscheinlich hat gerade dieser „prominente Fall“ sich bei der Grünen Zunft so tief verankert, dass bis heute viele aus ihren Reihen beim Anblick weißen Wildes die Waffe vorsichtshalber sichern.
Hasenpfoten und springende Jungfrauen
Zum Jahreswechsel ist es vielleicht wichtig zu wissen, dass in früheren Zeiten behauptet wurde, wer an Silvester oder Neujahr jagen geht, wird das ganze Jahr keinen Anlauf haben. Aber wie bei allem bösen Zauber gibt es auch hier Gegenmittel: Glück soll zum Beispiel ein präparierte Hasenpfote bringen. Sie muss allerdings vom linken Hinterlauf Meister Lampes sein und idealerweise bei Vollmond an einem regnerischen Freitag auf einem Friedhof erbeutet worden sein. Einfacher zu bewerkstelligen wäre vielleicht eine Jungfrau, die vor der Jagd über die Gewehrläufe springt. Ob damit der „Fluch“ einer alten Frau, die einem beim Ausgang zur Jagd begegnet, überwunden wird, ist nicht belegt.
Der Glaube kann Wunder bewirken
Der jagdliche Glaube an übernatürliche Kräfte, an gute und schlechte Vorzeichen ist in heutigen Zeiten nicht mehr so ausgeprägt wie im letzten Jahrtausend, aber deshalb noch längst nicht eliminiert. Der Traum vom jagdlichen Erfolg ist stark. Deshalb scheint es kein Wunder, dass man gern an die Wirkung übernatürlicher Kräfte glaubt, ebenso wie an glück- und unheilverheißende Begegnungen. Und wenn der erhoffte Effekt eintritt, umso mehr.
Welche jagdlichen Bräuche kennen Sie bzw. was hat sich bei Ihnen über die Jahre etabliert?