Bockjagd zwischen Tradition und Moderne

Wie halten Sie es mit den Böcken? Die Ansichten unter Jägern weisen in heutiger Zeit eine große Bandbreite auf, um es vorsichtig zu formulieren. Einige greifen erst zur Waffe, wenn der Bock rot ist und lassen die Platzböcke bis zur Blattzeit leben. Andere erlegen ohne „Ansehen der Person“ so früh wie möglich jedes Reh, dass frei ist. Viele der traditionellen und eisern verteidigten jagdlichen Vorgehensweisen halten neuen wildbiologischen Erkenntnissen nicht mehr stand. Glücklicherweise gibt es meistens verschiedene Möglichkeiten, die jagdlichen Aufgaben zu lösen. Für die einen ist es Pflichterfüllung, für die anderen jagdliche Kür, die richtig Freude bereitet.

Starker Bock im Wald. Bis zur Blattzeit warten oder gleich die Chance im Frühjahr nutzen?

Die gescheiterte Idee der „Aufartung“

Als Beispiel sei die Bejagung speziell der männlichen Rehe herausgegriffen. Mit der Verabschiedung des Reichsjagdgesetzes verfolgten die Väter dieser neuen jagdlichen Grundlage das Ziel, die Bestände per Abschussplan kontrolliert zu bewirtschaften und „aufzuarten“. Deshalb wurden die männlichen Vertreter in Alters- und Güteklassen eingeteilt. Man ging davon aus, den Ist-Bestand in den Revieren in dieser Form erfassen zu können. Das hat nicht so wie gedacht funktioniert. Bis heute nicht. Deshalb werden immer mehr dieser stringenten Vorgaben gestrichen, in einigen Regionen wird unterdessen ganz auf einen Abschussplan für Rehe verzichtet. Nach einem Dreiviertel-Jahrhundert ohne sichtbaren Qualitätszuwachs nicht verwunderlich.

Dieser uralte Bock ist jederzeit richtig.

Muss der Bock erst gefegt haben?

Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Rehe und Hirsche auch im Bast bejagt. Noch gar nicht so lange her, heute aber in der Form kaum vorstellbar. Diese Praxis wurde ebenso wie im Übrigen der bis dahin übliche Schrotschuss auf Rehwild durch das Reichsjagdgesetz eliminiert. Auch heute noch steht ein deutliches Pfui in den Augen von Jagdkameraden, wenn ein ungefegter Bock auf der Strecke liegt. Es sei denn, er fällt noch unter der Kategorie Knopfbock. Vor allem die Gehörne der jungen Böcke werden noch von Bast umhüllt sein, wenn Jäger den Jagdzeitbeginn im April nutzen, wie er in einigen Bundesländern unterdessen möglich ist. Für traditionsbewusste Jäger eine Schande, für andere kein Hindernis.

Ein hochinteressanter Bock im April. Wer Interesse an der Trophäe hat, wird warten wollen, bis er gefegt hat.

Die Schwachen bleiben, die Starken ziehen davon

Wer jedoch vor allem bei den schwachen Böcken wartet, bis sie ihre Stänglein blankgeputzt haben, kann leicht den Kürzeren ziehen. Die junge Bockgeneration taucht alsbald in den aufwachsenden Feldfrüchten unter oder zieht sich in das undurchdringliche Grün des Unterholzes im Wald zurück, das dank des Klimawandels immer früher die Sicht verschließt. In beiden Fällen sind sie nur noch schwer zu bekommen. Höchstens einmal durch Zufall oder über Tage, wenn der Platzbock seine Siesta hält.

Jungböcke werden häufig in die Feldschläge abgedrängt und sind dort schwer zu bekommen, wenn Raps und Getreide hoch stehen.

Reife Böcke bitte erst am Ende der Blattzeit

Das nächste ungeschriebene Gesetz, was heute noch vielerorts Bestand hat: Den guten, reifen Bock schießt man nicht vor der Blattzeit. Am besten sogar erst, nachdem die Rehbrunft durch ist. Er soll seine guten Gene noch so viel wie möglich in den Bestand einbringen. Doch das mit der Genetik ist so eine Sache. Sie lässt sich nur sehr bedingt am Phänotyp der Vererbers ablesen. Die Erbmasse verändert sich nicht. Also kann ebenso ein junger Bock ein guter Vererber sein. Außerdem sprechen wir hier nur von der eine Hälfte des Erbgutes. Der mütterliche Anteil ist genetisch ebenso groß. Insgesamt spielt der weibliche Teil sowieso eine deutlich größere Rolle. Die Kondition der werdenden Rehmutter, ihre soziale Stellung sowie die Milchleistung sind ganz wesentliche Komponenten für die Qualität des nächsten Jahrgangs. Wer hier was erreichen will, sollte also in allererster Linie auf den Zustand seines weiblichen Rehwildes schauen.

Die Qualitäten der Rehmütter bestimmen die Entwicklung des Nachwuchses.

Die hoffnungsvolle Zukunft endet auf der Straße

Neben der Tatsache, dass im Frühjahr noch bei guter Übersicht die Stücke besser zu sehen und anzusprechen sind, spielt das Revierverhalten der Rehe eine große Rolle. Die schwachen jungen Böcke versuchen, sich unsichtbar zu machen, um nicht den Zorn des Revierherrschers herauszufordern. Sie versuchen sich also durchzumogeln und bleiben im Revier. Die starken Jungböcke hingegen strotzen vor Vitalität und wollen unbedingt ein eigenes Territorium erobern. Gegen die Hausmacht werden sie nicht ankommen, also begeben sie sich auf Wanderschaft, bis sie eine freie Parzelle gefunden haben. Ein angestammter Revierinhaber wird nur äußerst selten weichen. Meistens wird ein Territorium frei, weil der bisherige Inhaber ein Opfer von Jagd, Straße oder neuerdings Wolf wurde. Natürlich muss der mutige Wandergeselle aufpassen, dass ihn nicht selbst dieses Schicksal ereilt. Wer als Jäger nicht rechtzeitig Territorien in seinem Revier freiräumt, der schickt gerade seinen hoffnungsvollen Rehnachwuchs auf die Reise.

Hohe Bestände und viel Konkurrenz fördern die Abwanderbereitschaft, die leider häufig auf der Straße enden.

Freude und Effektivität in Einklang bringen

Die Rehbockjagd ist fast in jedem Revier Mitteleuropas möglich. Für ganz viele Grünröcke ist es die „Brot-und-Butter-Jagd“ in ihrem Revier. Die Wildbretpreise für Rehwild sind außerdem die besten von allen Wildarten. Passionierte Rehjäger machen sich deshalb viele Gedanken, um dieses Waidwerk möglichst erlebnisreich und effektiv zu gestalten. Sie haben Freude an einem gesunden Bestand mit starken Trophäen. Sofern sie die Abschussvorgaben erfüllen, sollte ihnen auch weiterhin diese Freude zugestanden werden. Die Hard-core-Fraktion, für die nur ein totes Reh ein gutes Reh ist, hat einen anderen Ansatzpunkt, der auf vieles verzichtet, was den passionierten Rehjägern Freude macht. Der Bestand ist deshalb trotzdem nicht gefährdet. Die anpassungsfähigen Rehe werden mit beiden Fraktionen leben können.

Bei gleichstarken Böcken kann es im Frühjahr zu heftigen Kämpfen an den Territoriumsgrenzen kommen.

3 Antworten

  1. Sehr geehrtes Forum,

    es geht nicht nur darum, ob Hege mit der Waffe funktioniert.

    Es geht auch darum, dass man sich aus Respekt selbst gegenüber einem – neuerdings – Schädling wie Rehwild respektvoll verhält, in dem man sich Regeln auferlegt, die über das Mindestmaß der Jagdzeiten hinausgehen.

    Das ist der wahre Hintergrund der waidgerechten klassischen Hege.

  2. Sehr schön geschrieben! Danke! Das ist ja eigentlich auch alles nicht neu. Ich denke da an die Bücher z.B. bon Albrecht von Bayern oder Bruno Hespeler. Rein Jagdpraktisch ist die beste Herangehensweise, den Abschuss früh zu erfüllen und dem Wild Ruhephasen gönnen. Das gilt für Böcke wie auch für das Weibliche.

  3. Ich persönlich halte nach 35 Jahren Jagd nix von sogenannten Neuerungen ,Nachsicht usw das selbe gilt für Jagen auf Rehwild sage nur Jagdzeiten und das ganze nur weil angeblich der Wald stirbt und Rehe mit Schuld sind ,der Wald verändert sich nur ,wie schon so oft Böcke bei mir vom 15.5 bis 15.9 Ricken vom 1.9 bis 1.12

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