Wer hat diese Situation nicht auch schon erlebt? Ein neuer Jäger stellt sich vor oder stößt in eine jagdliche Runde, und schon bei der ersten Gelegenheit betont er mit dem Brustton der Überzeugung, so etwas wie „jagdlicher Neid“ sei ihm vollkommen fremd. Das hört sich zwar gut an, ist aber mit Sicherheit eine fromme Lüge. Jeder, der mit Passion dem Weidwerk nachgeht, erlebt dieses Gefühl – mal mehr, mal weniger. Das ist an sich auch nichts Schlimmes oder Bedauernswertes. Die entscheidende Frage ist, wie man mit diesem Gefühl umgeht und ob das etwas ist, wofür ein Jäger sich schämen muss.
Die Todsünde Neid
Fast in allen Religionen wird der Neid als verwerflich, als Sünde gegeißelt – in der katholischen Kirche zählt der Neid sogar zu den sieben Todsünden. Kein Wunder, dass sich kaum jemand freimütig zu diesem Gefühl bekennt. Wie so häufig wird gerade bei religiösen Vorschriften versucht, menschliche Regungen in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, damit auch den Ursprung dieser Emotionen trockengelegt zu haben. Und die Jagd ist gerade in der heutigen Zeit eine der wenigen Beschäftigungen, bei denen reichlich Emotionen freigelegt werden.
Neid oder Missgunst
Mit einem Beispiel lässt sich das verdeutlichen. Sie sind auf der Drückjagd. Ihr Nachbar hat einen Mordsanlauf und lässt eine Sau nach der anderen über Kopf gehen. Automatisch entsteht der Gedanke, so einen Anlauf möchte ich auch mal haben, und so zu treffen würde ich mir auch wünschen. Das ist zwar Neid, aber doch durchaus ein verständlicher. Ein konstruktiver Neid. Würden Sie ihrem Nachbarn wünschen, dass er endlich mal vorbei- oder sogar krankschießt, das wäre Missgunst, ein destruktiver Neid.
Eine Sache der menschlichen Beziehung
Und weil es sich eben um sehr menschliche Gefühle handelt, spielt es natürlich eine große Rolle, auf was oder wen sie neidisch sind. Warum nicht ein tolles Gewehr mit neidischen Blicken bewundern, das Sie sich nicht leisten können? Es könnte aber ihren Ehrgeiz anstacheln, auf so eine Anschaffung hinzuleben. Ebenso selbstbewusst wäre die Reaktion: Mal sehen, ob der mit dem teuren Gewehr genauso gut trifft wie ich mit meinem alten 98er.
Wenn Mr. Großkotz den Super-Keiler auf die Strecke legt, werden Sie sich sagen, allen hätte ich das gegönnt, aber nur nicht diesem Angeber. Ist der Schütze ihr bester Kumpel, freuen Sie sich vielleicht mehr, als wenn Sie das Riesenschwein selbst erlegt hätten. Ein ähnliches Gefühl stellt sich ein, wenn die eigenen Kinder ihre ersten jagdlichen Erfolge verzeichnen. Das heißt also, ein Neidgefühl hängt häufig viel mehr von der eigenen Beziehung zum Erleger als von der Stärke der Trophäe ab.
Aus Neid kann sich Ehrgeiz entwickeln
Der im allgemeinen Sprachgebrauch eher negativ besetzte Neidbegriff unterschlägt die positiven, konstruktiven Eigenschaften dieser Gefühlsregung. Bezogen auf die Jagd: Das scharfe Auge vieler Jäger, die Kunst des Fährtenlesens, Wissen um die Laute in der Natur, das gekonnte, zielsichere Schießen und vieles mehr lässt den Beobachter ja nicht nur staunen. Es wäre ungewöhnlich, wenn nicht wie ein Reflex der Wunsch entsteht: Das möchte ich auch können! Neid als Motivation zur eigenen Leistungssteigerung – warum denn nicht?!
Negative Gefühle in positive umwandeln
Jagd ist eine der wenigen Beschäftigungen in der heutigen Zeit, die ureigenste menschliche Gefühle bloßlegt. Im Guten wie im Bösen. Diese Tatsache sollte nicht einfach unterdrückt werden, es ist besser, sich damit offensiv auseinanderzusetzen, sich bewusst zu machen, weshalb es so ist. Sofern daraus weder Missgunst, Schadenfreude, üble Nachrede oder Ähnliches entsteht, kann daraus ein produktiver Ehrgeiz erwachsen, ein Anreiz, etwas zu können, was ein Anderer so beeindruckend beherrscht. Und dafür gibt es gerade bei der Jagd reichlich Möglichkeiten.
9 Antworten
Grüße an die Frankonia-Mannschaft, besonders an den Verfasser, (warum werden die Verfasser in dieser Rubrik nicht genannt?)
ein sehr guter, ein sehr schöner Artikel, wert für den Hubertustag. Aber Gutes ist nicht zeitabhängig. 🙂
Danke dafür.
Vielen Dank für Ihre lobenden und zustimmenden Worte zu dem Beitrag. Die Verfasser werden nicht genannt, weil wir deutlich machen möchten, dass das Unternehmen FRANKONIA mit seinen Werten und Ansichten hinter den Aussagen der Veröffentlichung steht.
Hallo 😊 Sehr gut beschrieben! Ich seh das ja genauso, dass es guten, wie schlechten Neid gibt. Wie man letztendlich damit umgeht entscheidet man selbst. Ich versuch mir sowas ja immer vor Augen zu halten und zu denken „Das möchte ich auch können“. Und ich habe gemerkt, wenn man den Kollegen anspricht und fragt, wie er es denn geschafft hat so gut schießen zu lernen, was sein Trick ist etc. hat man schon fast einen neuen Freund gewonnen.
Super Einstellung! Es ist doch auch eine tolle Eigenschaft, die gute Leistung eines anderen einfach anzuerkennen und ihm das auch zu sagen.
Vielen Dank für Ihre zustimmenden Worte. Neid hat jeder Jäger schon einmal gefühlt und es bedarf einer gewissen Selbstreflexion, wie man mit solchen Gefühlen umgeht. Vielleicht können die Gedanken des Blogbeitrags dabei unterstützen.
Ihr FRANKONIA Team
Hallo und guten Abend, auch ich finde den Artikel gut und treffend geschrieben. Man kann sich darin durchaus wiederfinden, womit ich eher den positiven und konstruktiven Ehrgeiz meine, und etwas Positives für sich gewinnen.
Frage an Frankonia: Seit wann gibt es diese Rubrik bzw. diesen Blog und die Artikel? Ich sehe sie heute zum ersten Mal, bin aber auch nicht allzu häufig hier unterwegs
Viele Grüße aus dem Münsterland und allzeit Waidmannsheil.
Ulrich
Lieber Ulrich,
vielen Dank für das positive Feedback. Den Blog gibt es schon einige Jahre, er wurde in der Anfangszeit aber nicht immer regelmäßig „befüllt“. Vielleicht hatten Sie ihn deshalb noch nicht entdeckt 😉 Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie in Zukunft öfter mal vorbeischauen.
Alles Gute und Waidmannsheil
Ihr FRANKONIA Team
Mitleid bekommst du geschenkt
Neid musst du dir erarbeiten
WS
Vielen Dank, sehr schöner Beitrag! WMH