Jagen fordert wie kaum eine andere Tätigkeit die menschlichen Sinne. Mit Sicherheit ein entscheidender Grund für die Passion, mit der viele Grünröcke dem Weidwerk nachgehen. In 1. Linie spielt natürlich der Sehsinn die führende Rolle: Ansprechen, Abfährten, Anvisieren und ganz viele andere jagdliche Tätigkeiten wären sonst nicht denkbar.
Hier soll aber von einem anderen Sinn die Rede sein – dem Hörsinn. Die Wahrnehmung mit des Jägers Lauschern steht zwar in der Bedeutung deutlich hinter dem Sehen zurück, ist aber für die Jagdpraxis durchaus von Bedeutung. Auch wenn wir (noch) nichts in Anblick haben, können uns Geräusche auf Wildbewegung hinweisen und entsprechend vorbereiten.
Das Niederwild ist auskunftsfreudig
Fangen wir mal mit der Flintenjagd an. Beim abendlichen Entenstrich kündigen sich die Schnatterer häufig schon an, bevor wir sie in der Dämmerung ausmachen können. Das feine „Jimjimjim“ der schnellen Schwingen und Unterhaltung in der Luft lassen die Jäger freudig aufhorchen und die Flinten in Stellung bringen. Still einfallende Enten nehmen wir meistens erst wahr, wenn sie rauschend auf dem Wasser landen.
Weitere Niederwild-Beispiele von vielen, bei denen die Akustik uns hilft: Der verheißungsvolle Gänseruf im Nebel, das laute Gockeln verrät den Fasanenhahn, der hinter dem Jäger aufsteht, das Puizen und Quorren kündigt den Vogel mit dem langen Gesicht auf dem Schnepfenstrich an, und das harte „Kirek“ des Rebhahns verrät, wo das Feldhuhn die Seinen zusammenruft. Die ganze Vogelwelt ist ausgesprochen auskunftsfreudig. Ein Klassiker ist auch die Jagd auf den balzenden Auerhahn in aller Herrgottsfrühe, wo rundherum noch alles duster ist.
Die akustischen Signale des Schalenwildes
Das Schalenwild ist hingegen nicht ganz so mitteilsam. Am eindrucksvollsten sicherlich das imposante Röhren der Hirsche in der Brunft. Aber es gibt noch andere Effekte, die den Jäger auf die richtige Fährte locken. Plätzen oder Fegen werden häufig so intensiv betrieben, dass es auch auf größere Distanz zu hören ist. Grunzen, Brechen oder Quieken verrät, wo sich die Sauenrotte gerade herumtreibt.
Starker Wind ist der größte Feind für das feine Gehör des Jägers. Ist es schön still im Wald, ist sogar das langsame Ziehen von Wild im Unterholz herauszuhören. Die spannende Frage ist dann, was für Wild bewegt sich unsichtbar in meinem Umfeld. Wird es in meinen Sichtbereich kommen oder soll man versuchen, sich vorsichtig der verheißungsvollen Geräuschkulisse zu nähern?
Wer wenig sieht, sperrt die Ohren auf
Interessanterweise ist die Anspannung für den Jäger am größten, solange das Wild unsichtbar bleibt. Wahrscheinlich malt sich des die Fantasie des Weidmanns unendlich viele Möglichkeiten aus, wie der/die Verursacher der Geräusche aussieht. Und der Fantasie sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt – bei Jägern ganz besonders nicht.
Bei der Nachtjagd übernimmt das Gehör ganz selbstverständlich eine Führungsrolle. Je schlechter die Sicht, umso mehr versuchen wir mit den Lauschern zu „detektieren“. Ästeknacken, Laubrascheln oder andere tierische Bewegungen beschleunigen Puls und Vorstellungskraft. Die Schwierigkeit ist, die Akustik richtig zu interpretieren und einer Wildart zuzuordnen. Erfahrenen Mondjägern gelingt das im Laufe der Jahre immer besser. Dachs, Igel und manchmal nur eine quirlige Maus unterm Hochsitz können den nächtlichen Ansitzjäger dabei ganz schön in die Irre führen. Ein gutes Mittel gegen den Hochsitzschlaf.
Laute Hunde sind wichtig
Zum Schluss noch ein „horchender Blick“ auf das Drückjagdgeschehen. Da es hier meistens schnell gehen muss, sind akustische Vorwarnungen eine wichtige Hilfe. Flüchtiges Wild, vor allem in der Gruppe, kündigt sich häufig äußerst geräuschvoll an. Rufe der Treiber und Hundelaut sind weitere akustische Marker, die Orientierung geben.
An der Art des Hundelautes lässt sich meistens gut unterscheiden, ob die vierbeinigen Helfer gerade auf eine Rotte gestoßen sind oder Wild bereits über eine längere Strecke mit Fährtenlaut folgen. Wer mal mit mit nur sichtlauten Hunden im Wald gejagt hat, weiß erst richtig den Wert von spurlauten Rassen zu schätzen.
Technik gegen Schwerhörigkeit
Alten Jägern können leider manche Feinheiten der jagdlichen Sinfonie nicht mehr empfangen. Das ist zwar noch kein Drama, aber doch nur noch ein eingeschränkter Genuss. Und der Erfolg leider auch darunter. Zum Glück kann heute durch moderne Technik dieses Manko in Form von elektronischen Gehörschützern ausgeglichen werden. Sie dämpfen den starken Impuls-Lärm des Schusses und verstärken dagegen um ein Mehrfaches die normalen Umgebungsgeräusche. Dasselbe Prinzip, nur teurer, gibt es auch als kleine Hörgeräte im Ohr. Ein gutes Mittel gegen den hässlichen Spruch, dass im Alter alle Sinne abnehmen und nur einer zunimmt: der Starrsinn. Dagegen gibt es jedoch noch keine Geräte auf dem Markt.